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Beckrather Originale

Diese Bezeichnung steht nicht für Schriftstücke oder Kunstgegenstände, nein, es geht um einen Menschentyp der durch Aussehen, andere Lebensgewohnheiten, Beruf, und nicht zuletzt durch seine Ausdrucksweise sich von den Mitbürgern wesentlich unterscheidet! Ein Mensch, den man in diese Kategorie einordnen kann, ist der besonderen Beobachtung im täglichen Lebensablauf gewiss, in der Erinnerung sogar über seinen Tod hinaus. Dies hat positive als auch negative Begleiterscheinungen für den Betroffenen! Heute gibt es die „Originale“ kaum noch, früher waren sie in jedem Ort zu finden. Die moderne Zeit mit vielfältigen Unterhaltungs- und Reisemöglichkeiten führt die Menschen in alle Welt. Vor 50 oder 100 Jahren sitzen die Familien mit ihren Nachbarn auf Bank oder „Dürpel“, nach getaner Arbeit an der Straße, oder man trifft sich beim Stammtisch. Neuigkeiten oder Erfahrungen machen die Runde, heute überschüttet eine Flut von Meldungen und Bildern auch die Menschen auf dem Land, da bleibt das Gespräch unter Nachbarn oft auf der Strecke, man lässt sich unterhalten, Eigeninitiativen werden selten! So bleibt vielfach nur noch die Erinnerung oder Überlieferung an alte Besonderheiten, dazu gehören die „Orginale“. Auf ihre Darstellung sollte nicht verzichtet werden, mancher mag noch persönlich bekannt sein, bei den anderen ist es die Überlieferung, die nicht in Vergessenheit geraten soll.

Das älteste „Original“ ist der Überlieferung nach:

„Knoake Wilhelm“

Mit Familiennamen Frentzen, lebt Wilhelm etwa von 1830-1910 in der Wanloer Straße im „Knoake-Hüske“. Der Ausdruck „Knoake“ ist Mundart und heißt Knochen. Wilhelm ist zeitlebens ein armer Alleinstehender. Das Haus hier um 1960 muß später wegen Baufälligkeit abgebrochen werden, damals etwa 160 Jahre alt. Die letzte Bewohnerin ist Witwe Rix, Mutter von Otto Engels-Senior.

Beim Abbruch findet man im Dachgebälk einen Tonkrug mit alten Münzen, französische Louisdor und Thaler, letztere im Wert von damals 3 Reichsmark/Stück. Die Bezeichnung „Knoake Wilhelm“ führt man auf einen Ausspruch zurück, der ihm nach den Befreiungskriegen von 1815 zugeschrieben wird. Er prophezeit, dass die Franzosen eines Tages wieder zurückkommen und schaut dabei durch einen großen hohlen Knochen zur Herrather Linde in Richtung Westen. „Se komme von de Leng“. Wilhelm war Straßenwärter und für die Instandhaltung der Dorfstraße und des Wickrather Weges bis zum Chur verantwortlich. Mit den damaligen Mitteln kann dies nur in Form von Planierungs-Arbeiten mit Schaufel und Schubkarre geschehen! Damit die Fahrspuren nicht zu tief werden, legt er große Feldsteine so, dass ständig eine neue Wegspur entsteht: Daneben kann er seine „Ausbesserung“ vornehmen, die vom „Gendarm“ Gemeindepolizisten kontrolliert wird.

„Köschkes Jul und Jule Adam“

stellen selbst unter Originalen eine Besonderheit dar. Ob es sich um ein Ehe- oder Geschwisterpaar, handelt ist nicht mehr auszu- machen. Beide wohnen um die letzte Jahrhundertwende im Fachwerkhaus Schrey, Ecke Wanloer Straße, Am End, heute modernisiert durch Gerhard Schrey im Jahr 1994.

Neben großem Garten mit Obstbaumbestand war

eine Kuh zum Lebensunterhalt vorhanden. Bescheiden und nicht gerade reinlich geht es dort zu. Die Ärmlichkeit zwingt zu größter Sparsamkeit. Die letzten Brotenden, „Köschkes“, werden zur Anreicherung der Suppe verwendet, daher die Namensgebung für die Hausfrau, die jeden zweiten Tag Milchsuppe serviert.

Adam sitzt im fortgeschrittenen Alter im Lehnsessel an der Straße, um die Langeweile zu vertreiben. Auf die Frage der Vorbeigehenden, was es Neues gibt, antwortet er „et Spell jet net uut“ (Mundart) das Spiel geht nicht aus – das Leben immer weiter. Nach dem Tod von „Köschkes Jul“ um 1925, wird der Hausrat, ein paar alte Stühle, Tisch und der altersschwache Lehnsessel für 65,00 Mark versteigert. Das Wohnhaus kauft Otto Schrey zu einem günstigen Preis, infolge des geringen Wohnwertes.

„Schraach-Scheumel“

Johann Engels erwähnenswert. Die Bezeichnung „Schraach“ ist wiederum Mundart und charakterisiert unter anderem einen unbeholfenen, etwas einfältigen Menschenschlag, der möglicherweise eine körperliche Behinderung aufweist. „Scheumel“ ist wohl von „Schümmel“ = helles Haar abgeleitet. Die Hauptbeschäftigung von „Scheumel“ als Nachtwächter ist das Stundenblasen mit dem Horn sowie das Anzünden der Straßenbeleuchtung im Herbst und Winter, die um 23 Uhr = 11.00 Uhr abends wieder gelöscht wird. Um die Laternen zu erreichen, die an Holzmasten und Hauswänden installiert sind, trägt er eine kleine Holzleiter mit auf seinem abendlichen Rundgang. Manchmal stellen die Leute ihm verfängliche Fragen, unter anderem die, ob er zu „schmieren“, heißt bestechlich sei. Seine vieldeutige Antwort „probeert et doch eens“, probiert es doch einmal. Diese Aussage deutet darauf hin, daß er wesentlich gescheiter ist, als sein Fragesteller vermutet und allgemein angenommen wird.

Johann Engels um 1855 geboren, verstirbt 1926.

„Dohme Drikkes“

Dohmen Heinrich, ein großer hagerer Mann, wohnt um die Jahrhundertwende, wo heute das Haus der Familie Goebbels, Am End, steht. Er besitzt das erste Fahrrad im Dorf, ein Hochrad, dessen Besteigung schon eine gewisse Übung erfordert. Wenn er losfährt geht seine Mutter voraus, bis er „fest im Sattel“ sitzt, auf der damals unebenen Dorfstraße sicher eine zusätzliche Schwierigkeit.

Wann und in welchem Alter er stirbt, ist nicht genau bekannt.

„Lüg“

Heinrich Esser sen. Man kann ihn getrost als den „Münchhausen“ von Beckrath bezeichnen! In Jüchen geboren, lässt er dort als Junge seinen „Windvogel“ (Drachen) steigen, der bei günstigem Wind über dem Kölner Dom (ca.30km Luftlinie) gestanden hat.

„De Koad“ die Schnur, zum Auflassen war so umfangreich, dass er dieselbe mit der Schubkarre transportieren muss. Als er nun in Beckrath Am End wohnt, ist er der „Größte und Erfolgreichste“ Gartenbesteller. Die Gemüsezwiebel und Kohlrabi sind so groß, dass sie nicht durch das normale Gartentörchen gehen. Folge: Es muss 30 cm verbreitert werden.

„Lüg“ ist ein guter und eifriger Sänger, bei den Proben gibt er mit todernster Miene seine „Wahrheiten“ zum Besten, so dass manche Sangesbrüder wohl geneigt sind, dies für bare Münze zu halten. Er stirbt1934 im Alter von 78 Jahren.

„Meenere Johann

richtig Johann Eßer, wohnt in der Zeit vor dem 2.Weltkrieg bei Landwirt Heinrich Kuhlen. Er verdient seinen Lebensunterhalt mit Kohlenhandel und als Helfer bei der Feldarbeit. Johann, als Junggeselle, hatte eine stille Liebe zum Frauenverein. Es gibt kaum eine Veranstaltung oder Ausflug, wo er nicht unter den Damen zu finden ist. Beim Handballspiel auf dem alten Sportplatz am Venrather Weg verteilt er in der Halbzeit Erfrischungs-Drops und Apfelsinen an die grünweißen Beckrather, damit diese in der 2. Spielhälfte nicht abbauen und die Punkte erhalten. Ein beliebter alter Herr, der 78 Jahre alt wird und im Mai 1944 verstirbt.

                                                                                                    

Adölfke“.

Das Leben meint es nicht gut mit Adolf Frahsa. Er lebt mit Schwester Auguste in verschiedenen Wohnungen. „Am End“ und im „Dörp“, meistens alte Fachwerkhäuser. Als Tagelöhner hat er ein bescheidenes Einkommen und hält sich im öffentlichen Leben zurück. Am wohlsten fühlt „Adölfke“ sich im Buchholzer Wald, wenn Holz- und Pflanzarbeiten verrichtet werden. Sein größter Wunsch, sich hier eine Behausung zu errichten, scheitert an den gesetzlichen Vorschriften, denn Wald ist Naturschutzgebiet und ständiges Wohnen dort nicht erlaubt. Von kleinem Wuchs und unglücklichem Aussehen, zieht er oft den Spott der Schulkinder auf sich. Wenn es zuviel wird geht er zum Lehrer, um dort sein Leid zu klagen. Mancher hat für sein loses Mundwerk eine Tracht Prügel bezogen.

Aber auch die Erwachsenen setzen ihm manchmal zu. Bei Festen und Kirmes traktiert man ihn solange mit „Alkoholischem“, bis alle Hemmungen fallen und er die Frauen zum Tanz auffordert. So hat „Adölfke“ einen seltenen Grund zur Freude und die ihn animieren, ihren „Spaß“. Eine weniger rühmliche Seite des Dorflebens! Die älteren Beckrather werden sich seiner noch gut erinnern. Mit 74 Jahren verstorben, wird er 1952 in Wickrathberg, beerdigt.

  

„Öllesch Franz“

der Vater von Karl Oellers, ein kräftiger Mann von großer Gestalt, ist verheiratet mit „Gertrud“, einer Niederländerin. Der große Gemüsegarten an der Wanloer Straße ist sein Hobby. Gerne nehmen ihn die Beckrather Bauern für Saisonarbeiten in Anspruch.

Franz beherrscht alle Feldarbeiten, die in der Zeit von 1905-1940 von Hand erledigt werden. Beim jeweiligen Arbeitgeber, gibt es dann zum Mittagessen ein besonders großes Stück Speck. Beim Abendessen packt er einmal ein gekochtes Hühnerei ein. Auf die Frage, warum er keine Eier esse, kommt die Antwort „datt näem ech Gertrud mött, dann hat datt och jet“. Fürwahr ein guter Ehemann, der 1941 verstorben mit 74 Jahren in Venrath beerdigt wird. Seine Gertrud überlebt ihn noch 10 Jahre.

„Angeniese Fritzke“

ein ganz stiller Vertreter seiner Zunft, wohnt in „der Fahrt“ und betreibt eine Hausweberei, bis 1952 mit Fertigung von Seidenstoffen. „Angeniese“ entstammt dem Vornamen seiner Großmutter Agnes. Fritz Esser, von schmächtiger Gestalt, etwa 1,65m groß! Sein ganzer Stolz ist der gepflegte Schnauzbart, wie er vor 1914 von Kaiser Wilhelm dem II. getragen wird; „Modell es ist erreicht“. In der Mittagspause wird ein Spaziergang über den Heckenweg, „de Jaat“, absolviert. Glaubt er sich unbeobachtet, fährt die Hand schnell in die Rocktasche und ein „Flachmann“ kommt zum Vorschein. Nach kräftigem Schluck geht es wieder an die Arbeit. Der Webstuhl klappert bis in die späten Abendstunden. Fritzke verstirbt ……….. mit……….Jahren ruhig und bescheiden, wie sein Leben lang währt.

„D’r lange Jennesse„.

Er ist wohl genau das Gegenteil von Heinrich Jennessen. Groß, über 185 cm, macht er seinem Namen alle Ehre. Von rustikaler Art, liebt er die Mundart, mit derben Sprüchen durchsetzt. Seine „Klompen“ Holzschuhe gehören zu den größten im Dorf. Eine seiner Hauptbeschäftigungen ist das Säubern der alten Straßenrinnen. Eine schwere Arbeit, da an den Hof-Einfahrten die Eisenplatten herausgehoben werden, um den Durchlauf frei zu machen. Rückstände und Schlamm befördert Wilhelm mit einem Spezialkarren, der von Hand geschoben wird in die alte „Sandkuhl“ am Krandreesch.

„Dr´ Bösdorp“.

Ein „Original“ aus den 20-50er Jahren von großer, kräftiger Statur, der gerne „Kautabak priemt“. Er hat mehrere Berufe ausgeübt. Bei Fritz Stass als Fuhrmann versteht er es, junge Pferde anzuschirren und für das Ziehen der Fuhrwerke auszubilden. Mehrere Jahre ist er auf dem Broicher Hof als „Verwalter“ tätig, hierbei hat Wilhelm auch das weibliche Personal „betreut“, wenn man den späteren Erzählungen glauben darf. (Details sind dem Verfasser bekannt, aber nicht unbedingt für die Öffentlichkeit bestimmt). Im Rentenalter hat er ein waches Auge für alles, was im Dorf passiert. Bei passender Gelegenheit werden seine Beobachtungen an „den Mann oder die Frau gebracht“. Als Wilhelm Schraub 1954 seinen Bungalow in der Wanloer Straße baut, schickt Wilhelm Büsdorf alle Neugierigen zurück mit der Bemerkung „Watt wollt ihr hee enn dem Millionenviertel – datt es blos für rieke Lüt, jott nohem“. Was wollt ihr in diesem Millionenviertel, hier wohnen nur reiche Leute, geht nach Hause.

Wilhelm wohnt zuletzt mit seiner Tochter Henriette am End, in einem 100jährigen gut erhaltenen Fachwerkhaus, neben dem Anwesen Esser – Dewies, dort werden jetzt neue Doppelhäuser errichtet. Damit bleibt ein altes Ortsbild und Wilhelm Büsdorf, der mit ……..Jahren …….gestorben ist, nur noch in unserer Erinnerung, ein markantes Beckrather „Original“.

„D’r Schwicker“.

Heinrich Jennessen, als Gentlemen immer nach der neuesten Mode gekleidet, muß natürlich im ländlichen Beckrath Aufsehen erregen. (Schwicker = Ableitung von „Schwickjee“ aus dem französischen). Er führt „Am Wall“, heute Haus Nr. 22, ein Frisörgeschäft mit Tabakwaren-Verkauf, dazu kam später eine Hausweberei für Seidenstoffe, die bis 1955 in Betrieb bleibt. Geht es zu Bällen und Veranstaltungen, ist er in seinem „feinen Zwirn“ nicht zu übersehen. In jungen Jahren zum Einkauf für das Geschäft, fährt Heinrich öfter mit der Bahn in die Stadt. Überliefert sein Ausspruch „Wenn ech möm Zoch fuet, meek d´r Schaffner om Bahnsteig de Abteil-Düer vör de 2.Klass op. Dä soach datt ech enne Hear woar“. Mundart: Wenn ich mit der Eisenbahn fuhr, öffnete der Zugschaffner die Abteil-Tür zur 2.Klasse, er sah, daß ich ein Herr war. Heinrich bleibt bis zum 90. Geburtstag ein nobler, rüstiger Mann, der seine Worte mit Bedacht wählt. Wenige Tage später stirbt er im Jahre 1973. Die Vorbereitungen für eine große Geburtstags-Feier sind getroffen, diese kann aber wegen seiner Erkrankung nicht mehr durchgeführt werden.

„Schipper Pitter“ (Senior),

gebürtig aus Titz bei Jülich mit Familiennamen Mülfahrt, war von 1910-1950 bei den Gebr.Kamerichs beschäftigt. Schon als diese noch auf dem Buscherhof wirtschaften, betreut er die Schafherde bis 1928. Er hat auch „tierärztliche Kenntnisse“, die bei dem Viehbestand auf dem großen Betrieb von Nutzen sind. Kastration von Schweinen und Schafen sind kein Problem für ihn, der bis zu seinem Lebensende den „Jülicher Dialekt“ beibehält. Er fehlt auf keiner Pferde-schau oder Prämierung. Obwohl Junggeselle, ist ihm das „weibliche Geschlecht“ nicht fremd. Nach getaner Arbeit fährt er regelmäßig jedes Wochenende nach Rath-Anhoven zu Kirchgang und „Wittfrau“. Bei Einbruch der Dunkelheit wird beobachtet, wie ein leicht schwankendes Fahrrad wieder in Richtung Dorfmitte Beckrath einläuft. „Pitter“ hat dann einen schönen Sonntagnachmittag erlebt, der mit einigen „Gläschen Korn“ abgeschlossen wird. Er gehört zum „lebenden Inventar“ des Bauernhofes, wird 74 Jahre alt und in seinem Heimatort Titz 1951 beerdigt.

‚Sybe Will“.

Von ganz anderer Art ist Wilhelm Syben. Aufgrund seines erlernten Berufs, Kaufmann, bei der Herrather Seidenweberei angestellt, verfügt er über eine gute Rednergabe und Allgemeinwissen. Als Soldat bei der Artillerie kommt er in Ausgehuniform mit weißen Handschuhen in Urlaub. Als er stolz durch den Ort schreitet, passiert ihm ein Mißgeschick! Der lange Säbel gerät zwischen die Beine, und Wilhelm stürzt zu Boden. Blutend und schmutzig rappelt er sich hoch – vom Spott derer verfolgt, die dies beobachten. Im 1.Weltkrieg kommt er bis zum Balkan und Konstantinopel. Später gilt seine Aufmerksamkeit dem Handballsport des Turnvereins. Wird bei Auswärtsspielen ein Sieg errungen, kehrt man unterwegs gerne zu einem Umtrunk ein. Wenn die Stimmung auf dem Höhpunkt ist, wurde „Will“ zum „Direktor“ ernannt und hält eine zündende Ansprache über das gute Mannschaftsspiel und zur Ehre des Turnvereins. Wenn es bei Heimspielen nicht so richtig läuft und eine Niederlage droht, läuft er aufgeregt am Spielfeldrand umher und spart nicht mit Kritik an Aktiven und dem Schiedsrichter.

Verständlich, daß die Nationalsozialisten auf ihn aufmerksam werden, nach einigen Lehrgängen wird er zum Redner bestellt. Seine Frau Annchen hat manche Eskapaden mit Will durchgemacht. Sie feiern ihre Goldhochzeit unter großer Anteilnahme des Dorfes im März 1963 bei guter Gesundheit. Mit 81 Jahren verstorben, ruht er seit 1972 auf dem Friedhof in Wickrathberg.

Plücker-Tünn“

wohnt Am End, heute Haus Nr……..mit Frau Trautschen und einer stattlichen Kinderzahl. Er nimmt das Leben von der heiteren Seite, selten sieht man ihn verdrießlich! Manche Tätigkeit hat er ausgeübt und immer das Beste daraus gemacht. Vielleicht ein Lebenskünstler?

Besonders haben es ihm die Dorffeste angetan. Mit graumeliertem, gewelltem Haar und einer guten Zigarre hat „Tünn“ stets die neuesten Witze parat, wenn er im Saal oder Gaststätte Freunde und Bekannte trifft. Die Lacher hat „Tünn“ immer auf seiner Seite, auch wenn der eine oder andere Gag schon zweimal zu Gehör gebracht wird. Als Anerkennung folgt stets ein gut gefülltes Schnapsgläschen. Nach heftigem Sträuben „dat es doch net nüedig“, nicht notwendig, strahlt er dann, nachdem er sich den Klaren einverleibt hatte. Mit 72 Jahren, zu früh, verstirbt Anton Plücken im Jahre 1974. Er wird in Wickrathberg, nicht weit von Wilhelm Syben und Heinrich von Gehlen entfernt beigesetzt, mit denen er zu Lebzeiten manche frohe Stunde verbringt.

„Hubbätsche“.

Als ein sicherlich noch vielen Beckrather in Erinnerung stehender, ist Hubert Oversberg ein richtiges „Original“. Er hat mit seiner Mutter „Lenchen“ einen kleinen „Tante Emma Laden“, wo die Dorfstraße auf die Wanloerstraße ausläuft. In dem alten Haus ist eine große Anzahl Schreibwaren, Süßigkeiten, Getränke und auch Lebensmittel deponiert, die man von außen gesehen dort nicht vermutet.

Nur 162 cm groß, etwas korpulent mit kleinem Bäuchlein ausgestattet, eine joviale Erscheinung, der immer alle Neuigkeiten weiß, der Laden ein Kommunikations-Zentrum für das Dorf. Unvergessen seine Auftritte im Saal Kamphausen mit Heinrich Block und Heinrich Syben als Zirkus-Direktor, beim Zaubern oder der Pferdedressur. Im Frackanzug mit Zylinder dirigiert er Musikstücke. Besondere Attraktion, der elegante Spazierstock mit Silberknauf, auf dem am Schluß der Darbietungen der Zylinder (Kopfbedeckung) balanciert wird. „Hubbätsche“ ist viel zu früh verstorben, er wird nur 42 Jahre alt, seit 1964 ist er in Venrath beerdigt. Das ganze Dorf hat Anteil genommen, sein Tod hat eine echte Lücke hinterlassen, die von den Vereinen noch heute beklagt wird.

„Leipold Johanna“

eine schwergewichtige, unübersehbare Hausfrau, wohnt in der Beckrather Dorfstraße 132, gegenüber dem Omnibusbetrieb Heinrich Frentzen. Ihre liebste Freizeitbeschäftigung ist der Blick auf die Dorfstraße. Bei gutem Wetter füllt Johanna die ganze Fensterbreite! Kein Fußgänger, Auto, Hund oder Katze entgeht ihrem Blick, sie ist über alles im Bilde.

In jungen Jahren geht sie gerne zum Tanzboden mit ihrer Schwester „Julchen“. Oft wird es später, als Vater Moritz Harf erlaubt. Sind beide endlich zurück und in das gemeinsame Bett geschlüpft, erschien Moritz, um mit dem Riedstock die „Hausordnung“ wieder herzustellen. Da Johanna bereits damals älter und beleibter als die „schmale“ Schwester ist, bietet sie eine größere Angriffsfläche und muss deshalb die Mehrzahl der Hiebe kassieren. Ihr persönliches Schicksal als Jüdin im Jahre 1941 wird unter Zeitgeschichte nochmals erwähnt.

Ehepartner Max überlebt Johanna, die 1970 verstirbt, noch 21 Jahre. Die Beckrather müssen sich erst daran gewöhnen, das markante Profil von Johanna nicht mehr in der Hausfront, wie Jahrzehnte üblich, zu sehen.

„Votz Mäete“.

Mit ihm, Martin Kamphausen, ist die Darstellung der „Originale“ beendet, nicht nur weil er zuletzt gestorben ist, ich möchte fast sagen, es gibt in Beckrath zur Zeit niemand mehr, den man hier einreihen könnte.

„Martin“, Land- und Gastwirt am Wickrather Weg, jetzt Heinrich-Korsten-Straße, einer alten Beckrather Familie entstammend, ist ein großer, starker Mann mit leicht gebeugtem Rücken. Als Hausherr kommt er seinen Rechten und Pflichten gewissenhaft nach. Wird im Saal das Tanzbein geschwungen, hat er er am Tage vorher die riesigen Kanonenöfen mit der Kohlenkanne gefüllt, um eine angenehme Wärme zu verbreiten. Bevor die Musikkapelle aufspielt, streut er ein helles Pulver aufs Parkett, damit die Paare richtig in Schwung kommen. Wenn Bierkonsum und Stimmung auf dem Höhepunkt sind, gibt es gelegentlich Raufhändel.

Der sonst ruhige und bedächtige Saalwirt wird dann plötzlich sehr schnell, packt die Radaubrüder am Hemd und Hosenboden und setzt sie mit Urkraft an die frische Luft – zur Ausnüchterung! Keiner traut sich an diesem Tag mehr zurück in den Saal. Es ist nicht seine Art, die Gäste dauernd zum Trinken zu animieren. Bei Bedienung der Skat- und Kegelklubs legt Martin gelegentlich ein kleines Schläfchen ein. Verständlich, da auch noch die Landwirtschaft zu erledigen ist, oft ein 14-Stunden-Tag. Gerne bietet er den Zechern seine Spiegeleier aus eigener Erzeugung an, er ist enttäuscht, wenn unbedingt etwas anderes gewünscht wird.

Nach seinem frühen Tod 1969 mit 64 Jahren wird der Betrieb noch kurzzeitig weitergeführt. Jetzt ist das Dorf ohne Kegelbahn und großen Saal, es gibt nur noch das „Weystübel“ der Familie Widdau.

„Votz Mäete“, unvergessen bei den alten Beckrathern, war auch das letze männliche „Original“, das in der Umgebung bekannt ist. Noch heute sehe ich in Gedanken „Mäete“ mit offenem Hemd und Hosenträger durch den Saal schreiten. Ein ehrlicher, freundlicher Mann, der über einen trockenen Humor verfügt.